Monetäre Entwicklungen im Islam – ein Wiederaufleben der Scholastik

und weiter gehts:

Soziale Gerechtigkeit ist das Kennzeichen des islamischen Wirtschaftssystems.

Einige interessante Entwicklungen sind derzeit im monetären Denken der islamischen Welt zu beobachten (Artikel wurde 1998 verfasst). Im 3. Kapitel (von „Der Mythos vom Geld“) wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Prophet Mohammed in jungen Jahren Kaufmann war und ein gutes Verständnis vom Wesen des Geldes als gesetzlicher Institution hatte. Er lehrte seine Anhänger, nicht nur Gold und Silber, sondern – auf der Gurndlage seines Nennwerts – auch Kupfergeld anzunehmen: „Mohammed zufolge bemisst sich die Eigenschaft der Währung nach den umlaufenden Fulus (Kupfermünzen), die als absolute Währung anzusehen sind […] Sie sind seiner Ansicht nach für gemeinschaftliche Investitionen ebensogut geeignet wie jede andere absolute Währung, zum Beispiel Dirhems (Silber) und Dinare (Gold)“ (Kasani, 6:59-60).

„Schari’a“ und „Fikh“

Schari’a ist die Bezeichnung für das religiöse Recht des Islam. Daraus entwickelte sich das Fikh, die Rechtswissenschaft des Islam oder eine religöse Pflichten- und Sittenlehre. In der Praxis gilt das Fikh jedoch als ideal, das oft nicht befolgt wird. Der Koran verbot die Zinsnahme oder Zinszahlung; als das Verbot im 7. Jahrhundert erstmals erging, blühten die Geschäfte:

„Die Abschaffung der Zinsnahme führte zu keiner Beeinträchtigung der Wirtschaftstätigkeit in der muslimischen Welt. Sie führte im Gegenteil zu einer Vermehrung des Reichtums“ (M.U. Chopra).

Bereits im 11. Jahrhundert aber wurde jemand, der „im Einklang mit dem Gesetz Handel trieb, von allen anderen Kaufleuten verspottet“. Es bestand daher eine große Kluft zwischen der Praxis und der Theorie. Im Laufe der letzten 200 Jahre übernahmen islamische Länder allmählich unter der Einfluss des Kolonialismus das Geld- und Banksystem auf der Basis der Zinsnahme. Doch das beginnt sich jetzt wieder zu ändern.

Chopra unterscheidet drei Phasen der gegenwärteigen wirtschaftlichen Belebung in islamischen Ländern. Zunächst setzte in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts (vielleicht infolge der großen Depression im Westen?) eine Neubewertung der islamischen Position ein. Sie wurde von moslemischen Gelehrten angeführt, die als Nichtökonomen für eine Rückbesinnung auf klassische moslemische Positionen eintraten. In einer zweiten Phase ab 1965 analysierten islamische Wirtschaftswissenschaftler diese Ideen. Die dritte Phase ist von den gegenwärtigen Bemühungen gekennzeichnet, ein zinsloses System von Banken und FinanzInstitutionen aufzubauen. Chopra zufolge wird die vierte Phase im Bereich der monetären Theorie und Praxis angesiedelt sein.

Pakistan hat dieser Entwicklung durch seine Verfassung von 1973 wichtige Impulse gegeben: Artikel 227 sieht vor, dass alle bestehenden Gesetze „in Übereinstimmung mit den Anordnungen des heiligen Koran und der Sunna gebracht“ werden sollen und das Riba so schnell wie möglich abzuschaffen sei. Chopra bemerkt hierzu, dies sei „das erste mal, dass sich ein Staat in dieser Form ernsthaft dazu verpflichtet, die Wirtschaft auf der Grundlage islamischer Werte umzugestalten“.

Riba und Zulm

Diese beiden Begriffe haben eine ähnliche Bedeutung wie die Bezeichnung der christlichen Scholastiker für Zinswucher. Der Begriff Riba deckt jedoch mehr als die Zinsen:  Er ist auf alle Formen der unfairen finanziellen Ausbeutung anwendbar. Der Islam ist bestrebt, „das Unrecht zu beseitigen, das dadurch verübt wird, dass dem Finanzier, ohne dass er etwas dafür tut oder einen Teil des Risikos trägt, ein positiver Ertrag garantiert ist, während sich der Unternehmer trotz seiner Führung und harten Arbeit keineswegs eines solchen positiven Ertrags sicher sein kann.“

Zulm bezieht sich auf alle Formen von Unrecht, Ausbeutung, Unterdrückung und Übeltaten. Im ökonomischen  Denken des Islam wird versucht, Riba und andere Formen der Ausbeutung auszurotten, wobei es keine Trennung zwischen Gerechtigkeit und Moral einerseits und Ökonomie andererseits gibt. Der Islam glaubt, wie es Chopra in seinem Buch Toward a Just Monetary System ausdrückt, unerschrocken an die Brüderlichkeit der Menschen.

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