Zu viel Geld, das eine Rendite sucht

Zur Bankenkrise
Die Finanzspekulation führt zu Instabilitäten, Unsicherheiten und zu Finanzkrisen

Wie konnten sie nur?, fragt der Laie, nachdem die Machenschaften der Investmentbanker die Grossbanken fast in die Knie gezwungen haben. Das Problem liege im Finanzsystem
selbst, sagt der Ökonom Karl-Heinz Brodbeck.

Herr Professor Brodbeck, was ist für Sie Geld?

Brodbeck: Das Problem in der Erklärung des Geldwerts ist, dass es dafür
keine objektive Entsprechung gibt. Die Hoffnung der frühen Geldtheoretiker war, dass der
Wert des Geldes irgendwie verkörpert existiert. Diese Hoffnung lebt jetzt wieder auf, wenn
man auf das Gold setzt und meint, dass das Gold einen Wert an sich, einen „intrinsic
value“, besitze. Das Geld ist aber ein zirkuläres Verhältnis, eine Beziehung zwischen den
Zentralbanken und dem Publikum, das es verwendet. Die Zentralbanken können den Wert
des Geldes nicht autonom festlegen. Wenn die Geldbenutzer dem Geld vertrauen, geben
sie ihm einen Wert. Die Zentralbanken können auf dieses Vertrauen bauen, es aber auch
missbrauchen.

Und was ist mit unseren Sparbatzen?

Brodbeck: Sie denken an die so genannte Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes. Hier
darf man nicht glauben, es gebe einen realen Wert, den man getrost aufbewahren könne.
Das Geld kann sich von den Kreditkontrakten lösen, in denen es entstanden ist. Man kann
es der Zirkulation entziehen, um liquid zu bleiben. Unternehmen gehen ja nicht
deshalb zugrunde, weil sie Verluste schreiben, sondern weil sie nicht liquid sind, ihre
Schulden nicht bezahlen können. Ferner trennt sich das Geld von den realen Verkäufen,
weil es sich im Bankensystem auch vermehrt. Die Sparer machen bei einer Bank ihre
Einlage, und die Bank verleiht dieses Geld dann weiter an andere Banken usw. In den
Lehrbüchern heisst das „Geldschöpfungs-Multiplikator“.

In Zeiten der Prosperität vergeben die Banken gerne Kredite. Und wir werden immer
reicher. Von 1970 bis 2005 haben sich die Finanzvermögen verzwölffacht, die Weltproduktion
wuchs aber nur um den Faktor 4,4. Dieses Geld kann nicht einfach liegen
bleiben, Geldeigentümer erwarten Jahr für Jahr ihre Rendite. Das macht doch den Banken
Druck?

Brodbeck: Ja, das stimmt. Und sie wurden dabei „innovativ“. Sie haben alle möglichen
Finanzprodukte kreiert. Die Möglichkeit, das Geld in scheinbar neue Titel zu investieren,
wurde genau so schnell vermehrt, wie die Menge an Geld gewachsen ist. Aber John Kenneth
Galbraith hat einmal gesagt: „Auf den Finanzmärkten gibt es keine Innovationen. Es wird
nur immer wieder das Schuldenmachen neu erfunden.“


–>Doch diese Form der Marktwirtschaft, in der das Geld nur Mittel des sozialen Austauschs
ist, hat wohl kaum jemals rein existiert. Schon sehr früh – wie angedeutet – überlagerten sich
andere Funktionen, die aus den kaufmännischen Interessen und aus dem Wucher hervorgingen.
Formal ausgedrückt lagert sich in die Märkte, in die Austauschform: Ware-Geld-
Ware (W-G-W´) eine andere Struktur ein, die das Geld zum Ausgangspunkt nimmt: Geld –
Ware – mehr Geld: (G-W-G´). Diese kaufmännische Relation wurde noch gesteigert im Wucher,
der direkt Geld verleiht, in der Form: Geld – mehr Geld (G-G´). Nun ist diese Form des
Wuchers nicht nur nie verschwunden, sie hat mit der kapitalistischen Entwicklung erst ihre
eigentliche Reife erlangt. Man kann also drei Stufen unterscheiden, in der abgekürzten Formelsprache:
(1) Aus der ursprünglichen Marktwirtschaft W-G-W´ entstand (2) durch Einbettung
der reinen Geldgier der Kapitalismus, dessen bewegende Kraft das Streben nach Gewinn,
also die Form G-W-G´ ist. Charakteristisch ist für den Kapitalismus, dass er die Produktion
umwälzt, der kaufmännischen Rechnungslegung unterwirft und so zugleich die
moderne Naturwissenschaft, überhaupt die Verwissenschaftlichung der Welt ermöglicht.
Der Kapitalismus bleibt immer noch eingebunden in die natürlichen Voraussetzungen, von
denen er sich zugleich unaufhörlich zu emanzipieren strebt. (3) Bereits in den frühen Formen
der Märkte überlagerte sich aber noch eine dritte Form der Marktbeherrschung durch den
Wucher G-G´. Er ist dadurch charakterisiert, dass er gar nicht mehr die Produktion, damit
die darin Arbeitenden zu kontrollieren möchte, sondern nur noch die Geldströme direkt als
Ausgangs- und Endpunkt seiner Bewegung nimmt.

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